In all den vielen Koans gibt es mehrfach die Situation, dass ein Mönch während des Lehrvortrags des Meisters vor versammelter Mönchsgemeinschaft aufsteht, in die Mitte tritt und eine Frage an den Meister richtet.
Einmal, als ein Mönch genau dies tat, erhielt er vom Meister eine Antwort, die er aber nicht verstand. Also fragte er noch ein oder zwei Mal nach. Schließlich wurde es dem Meister zu bunt, und er wurde wohl auch recht grob mit seiner Antwort. Der Mönch jedenfalls war völlig verwirrt, fühlte sich bis auf die Knochen blamiert und gedemütigt, stand zittrig in der Mitte und wusste nicht mehr, was er tun sollte.
So jedenfalls kann man sich das gut vorstellen. Erst den ganzen Mut zusammengenommen und sich überhaupt getraut, was zu fragen und dann so abgekanzelt zu werden vor versammelter Mannschaft. Wenn sich da die Erde aufgetan hätte, wäre der Mönch vermutlich sehr erleichtert gewesen.
Aber dann kommt der Mönchsälteste zu ihm und fragt ihn: „Warum verbeugst du dich nicht und gehst zurück auf deinen Platz?
Ein großartiger Hinweis! Zum einen ganz aktuell in der Situation für den Mönch, der sich erstmal wieder rühren und zurück zu seiner Matte gehen kann, und zum anderen – und vor allem – ein genialer Hinweis fürs Leben. Denn es geht eben nicht nur um die Rückkehr zu seiner Matte, sondern um den jeweils ganz eigenen Platz im Leben!
Darum habe ich in einem der Bücher von Klaus eine ganz kleine, unscheinbare, blasse Blümchenstaude gemalt. Grau, strubbelig, ein Stängel mit Blüte schon abgeknickt, Blätter wie zerzaust und dann noch womöglich ganz hoch oben im Gebirge wachsend, wo es von niemandem gesehen wird. Kein Mensch kommt je vorbei und sagt: „Ach, was für ein wunderschönes kleines Blümchen“. Kommen Tiere vorbei? Weiß man nicht. Nur Wind, Kälte und Einsamkeit.
Und was macht das Blümchen? Es wächst und blüht und tut alles, was es als dieses Blümchen eben zu tun hat. Ohne Widerstand, ohne Beleidigtsein. Einfach so.
Genauso wie so viele andere Pflänzchen, z.B. an den Straßenrändern o.ä. auch. Da wird auf es draufgetreten, ein Auto fährt drüber, und keiner kümmert sich, und dennoch macht das Pflänzchen unbeirrt immer weiter. Nach seinen Möglichkeiten und ohne in Trauer zu versinken, dass es wieder einmal niemand beachtet hat oder gar Rücksicht genommen hätte.
Und genau das ist die wunderbare Einweisung in unser Leben! Egal, wer oder was Dich gerade wieder überfahren oder platt gemacht hat: aufstehen, sich verbeugen (ganz wichtig!!!) und dann den ureigensten Platz im Leben wieder einnehmen.
Und wenn man sich „richtig“ verbeugt, dann wird es auch immer leichter. Und einfacher!
Danke.
Ulrike Rögner-Fahrendorf (Wolke der leuchtenden Dunkelheit)